Ein Plädoyer für genderneutrales Design
1. Einleitung
Was hat rosa Spielzeug mit dem Gender Pay Gap zu tun? Auf den ersten Blick scheint die Verbindung nicht offensichtlich. Doch das Gendermarketing wirkt bereits bei den Kleinsten. Und legt so die Basis für stereotype Geschlechterrollen, die weit über das Kinderzimmer hinausreichen.
Mädchen spielen Prinzessin, Jungs greifen zu Autos und Technik. Doch was, wenn wir diese Rollenbilder infrage stellen und auf genderless Design setzen?
In diesem Artikel beleuchte ich die Problematiken des Gender Designs und Brandings. Und zeige auf, wie Post Gender Marketing einen Weg zu mehr Vielfalt und Chancengleichheit ebnen kann.
2. Definition:
Was ist Gendermarketing?
Gendermarketing bezeichnet geschlechtsspezifische Produktentwicklungs- und Vermarktungsstrategien, die Produkte und Dienstleistungen gezielt auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Ansprüche von Mädchen und Jungen abstimmen sollen. Weiterhin hebt das Gendermarketing diese Unterschiede hervor oder unterstreicht sie in vielen Fällen sogar.
Diese Form des Marketings basiert auf der Annahme, dass Männer und Frauen bzw. Mädchen und Jungen grundsätzlich unterschiedliche Interessen und Vorlieben haben. Doch bei Kindern sind diese Unterschiede oft nicht biologisch bedingt, sondern durch soziale Einflüsse geprägt.
Das Design von Produkten, die Verpackung und die Ansprache spielen hier eine wesentliche Rolle. Es wird gezielt auf stereotypische Merkmale wie Farben, Motive und Formen gesetzt, um Jungen und Mädchen in getrennte Konsumwelten zu lenken.
So entstehen die rosa Pferde-Prinzessin-Blümchen-Ecke und die blaue Dino-Piraten-Auto-Ecke.
Das größte Problem des Gendermarketings ist die Festlegung von Kindern auf stereotype Rollenbilder. Produkte werden als „für Jungen“ oder „für Mädchen“ gekennzeichnet, was ihre Wünsche und Möglichkeiten einschränkt. Diese frühe Festlegung beeinflusst nicht nur das Spielverhalten, sondern auch die spätere Berufswahl und persönliche Entwicklung.
Wie Label einschränken können …
Die Studien der Psycholog*innen Marilyn Bradbard und Richard Endsley haben gezeigt, dass Vorschulkinder sich stärker für Spielzeuge interessieren, wenn sie ihnen als geschlechtskonform präsentiert werden. Ein Ball, der als „Jungen-Spielzeug“ bezeichnet wird, bleibt in der Mädchenwelt oft unberührt, und umgekehrt.
Und noch schlimmer: Mädchen, die sich zuvor mit einem Spielzeug beschäftigen, hörten auf damit zu spielen, sobald man ihnen mitteilte, es sei „für Jungen“. Diese sogenannte Sozialisation durch Spielzeug lenkt Kinder in stereotype Bahnen und fördert die Verinnerlichung von Geschlechterrollen. Zugleich kann sie das Interesse für gewisse Themen hemmen.
Aber wer bietet und wer kauft genderspezifische Produkte?
Nun treffen in den meisten Fällen Erwachsene die Kaufentscheidung, wenn es um Spielzeug, Kleidung und andere Produkte für Kinder geht. Und auch sie werden dabei von gesellschaftlichen Normen und Erwartungen beeinflusst. So entscheiden sie sich (teils unbewusst) für geschlechtsspezifische Produkte.
Auch die Angst vor Ausgrenzung kann ein bedeutender Faktor bei der Kaufentscheidung sein. So gehen viele lieber den altbekannten Weg.
Die Marketingstrategien von Unternehmen verstärken die genannten Klischees oft unbewusst. Selbst gut gemeinte Kampagnen scheitern daran, geschlechtsneutrale Botschaften zu vermitteln, weil tief verankerte Stereotype in den Köpfen der Werbemacher*innen weiterwirken. So reproduziert Gendermarketing auch unbewusst immer wieder altmodische Rollenbilder, statt sie aufzubrechen.
Und wo schließt sich der Bogen zur Pay Gap?
In vielen Spielzeugläden spiegeln sich klassische Frauen- und Männerberufe wider. So wird das Bild der niedlichen, hübschen, sich um Haushalt und Familie sorgenden Frau gestärkt. Die sich in pflegenden Berufen wiederfindet. Und das des an Technik interessierten, abenteuerlustigen Jungen. Mit Berufswunsch Feuerwehr, Polizist und Co.
Wenn wir kleine Mädchen zu selbstbewussten und selbstbestimmten Frauen heranwachsen sehen wollen, müssen wir im Kleiderschrank und Kinderzimmer ansetzen bzw. dort, wo die Kaufentscheidung zu stereotypen Produkten gefällt wird – oder eben nicht!
3. Die Lösung:
Umsetzung von stereotypenfreiem
Marketing
Wie sieht ein Design- und Marketingansatz aus, der auf stereotype Geschlechterrollen verzichtet? Der Schlüssel liegt in der Zielgruppenanalyse! Eine Analyse, die nicht mehr das Geschlecht, sondern die individuellen Interessen und Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. Stereotypenfreie Kampagnen setzen auf Authentizität und Glaubwürdigkeit, indem sie Diversität und Individualität wertschätzen.
Einige konkrete Maßnahmen bzw. Ansätze könnten sein:
- Produkte neutral gestalten und auf genderneutrale Farben und Designs setzen. Statt anzunehmen, dass „alle“ Mädchen Rosa lieben und „alle“ Jungen Fußball.
- Kinder in unisex Kleidung zeigen, sowie in vielfältigen Rollen und Aktivitäten, unabhängig von ihrem Geschlecht.
- Auf das Zeigen von Kindergesichtern verzichten (auch in Bezug auf das Thema „Recht am eigenen Bild“).
- Produkt und Vermarktung inklusive Design und Verpackung ehrlich auf versteckte Klischees prüfen.
- Neue, moderne Personas definieren und Wunschkundenanalyse aktualisieren.
Wichtig ist, dass Marken den Wandel der gesellschaftlichen Erwartungen hin zu mehr Diversität ernst nehmen und sich von traditionellen Geschlechterklischees lösen.
Denn gute Nachrichten: Schon heute wünschen sich viele Eltern Produkte für ihre Kinder, die frei von Klischees und traditionellen Rollenbilder sind. Und lehnen geschlechtsstereotype Produkte und Werbemaßnahmen ab.
4. Ausblick:
Was ist Post Gender Marketing?
Post Gender Marketing geht einen Schritt weiter als die bisherige Geschlechterneutralität. Es berücksichtigt nicht nur binäre Geschlechterrollen, sondern richtet sich an alle Menschen, unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität. Produkte werden so gestaltet, dass sie flexibel, individuell und modifizierbar sind, um den Bedürfnissen aller Konsument*innen gerecht zu werden.
In einer idealen Welt würde sich kein Kind Gedanken darüber machen müssen, ob sein Lieblingsspielzeug für das „richtige“ Geschlecht bestimmt ist. Jungen könnten sich ohne Vorurteile für Pferde, Glitzer oder Puppen begeistern, während Mädchen ungestört ihre Begeisterung für Technik und Abenteuer ausleben.
5. Best Practice:
Beispiele für Post Gender Marketing
Einige Unternehmen haben diesen Ansatz bereits erfolgreich umgesetzt:
- Stapelstein, Grimm's und Kindsgut bieten Spielzeuge an, die weder explizit für Jungen noch für Mädchen konzipiert sind. Die Produkte sind bunt, vielseitig und laden Kinder unabhängig von ihrem Geschlecht zum kreativen Spielen ein.
- Orbasics, Oktopulli und Paua Kids bieten genderneutrale Kleidung an, die Kindern erlaubt, sich frei auszudrücken, ohne durch Geschlechterstereotype eingeschränkt zu werden.
- Bosch hat es mit seinem Akkuschrauber Ixo geschafft, ein Produkt an die Wünsche einer weiblichen Zielgruppe anzupassen, ohne sich klischeehafter Farben oder Formen zu bedienen. Das Ergebnis: ein kleiner, leichter Akkuschrauber in klassischen Bosch-Grün.
- Kosmetikmarken wie NYX und Gitti setzen auf Diversität und wenden sich gezielt an alle Geschlechter, indem sie in ihren Werbekampagnen Influencer*innen aus unterschiedlichen Gender-Spektren einbinden.
Diese Beispiele zeigen, dass Genderneutralität im Design und Marketing nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich ist.
6. Fazit
Gendermarketing für Kinder ist tief in unseren gesellschaftlichen Normen verwurzelt. Es trägt dazu bei, dass stereotype Geschlechterrollen bereits im Kindesalter gefestigt werden. Ein Umdenken hin zu genderneutralem Design und Post Gender Marketing kann nicht nur die Möglichkeit bieten, diese Klischees aufzubrechen. Es eröffnet auch neue Chancen für eine gerechtere und vielfältigere Gesellschaft.
Indem wir Kinder ermutigen, ihren Interessen ohne die Fesseln veralteter Geschlechterrollen nachzugehen, legen wir einen wichtigen Grundstein für die Zukunft. Eine Zukunft, in der jedes Kind seine eigenen Talente und Leidenschaften ohne Einschränkungen entdecken und entfalten kann.
Genderneutrales Design ist dabei ein erster, wichtiger Schritt in diese Richtung. Daher ist es meine Herzensangelegenheit, Teil dieser Entwicklung zu sein. Dafür unterstütze ich Kinder- und Familien-Marken bei den Themen Positionierung & Markenstrategie, Branding und der Erstellung von Print- und Werbemitteln. Und das frei von Klischees und Gender-Grenzen.
Quellen und weitere Leseempfehlungen:
